Wil SG: Flüchtlinge nebenan – Psychiatrie fürchtet «Ghettoisierung»
Wil 02.07.2024 - 07:28
In Wil werden Flüchtlinge neu direkt neben der Psychiatrie St.Gallen untergebracht. Das passt der Einrichtung überhaupt nicht.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Psychiatrie St.Gallen freut sich in Wil nicht über die neuen Nachbarn.
- 60 weitere Asylsuchende werden unmittelbar daneben einziehen.
- Es wird von einer «Ghettoisierung» des Areals gesprochen.
In Wil wird demnächst eine zusätzliche Unterkunft für Asylsuchende eröffnet. Durch den neuen Standort an der Kreuzackerstrasse 1 wird die Kapazität schrittweise auf 120 Asylsuchende erhöht. Bisher sind beim Durchgangsheim an der Hausnummer 3 rund 60 Personen untergebracht.
Das Gebäude mit der Nummer 1 wurde zuletzt von der Psychiatrie St.Gallen als Ausweichfläche genutzt. Die neue Verwendung bedeutet, dass künftig noch mehr Asylsuchende nahe der Psychiatrie beheimatet sind. Das löst bei der Einrichtung Besorgnis aus.
«Ghettoisierung» des Areals
Gegenüber dem «St.Galler Tagblatt» zeigt sie sich überrascht von den Plänen des Migrationsamts. Der Sprecher sagt: «Die geplante Nutzung durch das Migrationsamt als Durchgangsheim für geflüchtete Personen betrachtet die Psychiatrie St.Gallen als ungeeignet.»
Grund: Das Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen Betreuungs-, Behandlungs- und Integrationsbedürfnissen könne zu Konflikten und Unsicherheiten führen. Das würden die Erfahrungen mit dem Durchgangsheim an der Kreuzackerstrasse 3 zeigen.
«Die zu befürchtende, zunehmende Stigmatisierung und ‹Ghettoisierung› des Areals läuft den intensiven Bemühungen der Psychiatrie St.Gallen entgegen, das Klinikareal als Raum der Ruhe und der Gesundung zu etablieren und die Entstigmatisierung von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen zu unterstützen.»
Die Psychiatrie will nun das Gespräch mit Vertretern des Kantons suchen. Direkten Einfluss auf die Nutzung der Häuser kann sie nicht nehmen, da diese dem Kanton gehören. Aber: «Nach dem Austausch werden wir die Situation analysieren und prüfen, welche Massnahmen gegebenenfalls getroffen werden können.»
Bevölkerung werde kaum etwas spüren
Sicherheitsprobleme habe es in Wil noch nie gegeben, sagt Migrationsamtsleiter Jürg Eberle der Zeitung. «Die Bevölkerung dürfte von der Verdoppelung der Unterbringungsplätze im Alltag kaum etwas spüren.»
«Die Asylsuchenden haben grundsätzlich Erwerbstätigkeitsstrukturen. An Werktagen besuchen sie den Schulunterricht, leisten Hausarbeit oder gehen einem Beschäftigungsprogramm nach. An Wochenenden haben sie frei», sagt Eberle. Auch in der Nacht oder an Wochenenden ist mindestens ein Mitarbeiter des Migrationsamtes immer vor Ort anwesend.
Er erklärt auch, dass nicht nur alleinstehende junge Männer nach Wil kommen würden, sondern «Querbeet-Flüchtlinge» aus verschiedenen Ländern. Zudem komme zur Prävention täglich eine Polizeipatrouille vorbei.
Auch die Stadt Wil äussert keine Sicherheitsbedenken. «Bisher sind die Asylsuchenden des Zentrums in der Öffentlichkeit nicht in Erscheinung getreten. Für sie gibt es Tagesstrukturen und eine 24-Stunden-Betreuung. Es gab keine Probleme», sagt Stadtrat Dario Sulzer.