Götte (SVP): Das Milizsystem gehört zu unserer Identität

Der St. Galler Nationalrat Michael Götte (SVP) sieht im Gastbeitrag die Verteidigungsfähigkeit der Schweiz in Gefahr.

Das Wichtigste in Kürze
- Das Milizsystem ist seit Jahrhunderten Teil der Schweizer Identität.
- Immer weniger Schweizer erfüllen die vollständige Wehrpflicht in der Armee.
In den vergangenen 20 Jahren fand die Landesverteidigung in der öffentlichen Diskussion kaum mehr statt. Bei der Armee wurde in erster Linie gespart. Das Geld floss unter anderem in den Ausbau des Sozialstaates und in die Entwicklungshilfe.
Das hat sich geändert. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine haben auch die Letzten begriffen, dass die Sicherheit der Schweiz nicht gratis zu haben ist.

Flankiert werden die Diskussionen zur Wiederherstellung der Verteidigungsfähigkeit von negativen Schlagzeilen rund um das VBS. Auf der obersten Führungsebene herrscht Flugwetter. Die Bundesrätin, der Chef der Armee, der Chef des Nachrichtendienstes, der Chef der Flugwaffe, sie alle nehmen den Hut. Ein Korruptionsskandal erschüttert die RUAG. Grosse Beschaffungsvorhaben verzögern sich um Jahre.
Kaum diskutiert wird eine Baustelle, die mich als Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates besonders beschäftigt und bei der es um das Eingemachte der Schweiz geht: das Milizsystem. Dieses ist in Artikel 58 der Bundesverfassung verankert. Jeder Schweizer ist wehrpflichtig.
Wehrgerechtigkeit ist kaum noch vorhanden
Zumindest auf dem Papier. Nimmt man alle 20-jährigen Männer, dann haben wir es mit knapp 45'000 Einwohnern der Schweiz zu tun. Ein Viertel davon sind Ausländer. Rund 33'000 Schweizer sind wehrpflichtig. Allerdings rücken nur etwas mehr als 20'000 in die RS ein, circa 30 Prozent sind untauglich.
11 Prozent der Tauglichen scheiden vor Ablauf der ordentlichen Dienstzeit aus der Armee aus. Mehr als die Hälfte davon wechseln in den Zivildienst. Vielfach nicht aus weltanschaulichen, sondern aus rein opportunistischen Gründen.

Mit anderen Worten, wenn wir zehn Zwanzigjährige vor uns haben, werden nur fünf davon die vollständige Dienstpflicht erfüllen. Mit Wehrgerechtigkeit hat dies kaum noch etwas zu tun.
Korrekturen sind unumgänglich. Dazu gehören eine kritische Auseinandersetzung mit den Bedingungen des Zivildiensts und die von SVP-Nationalrat Alfred Heer vorgeschlagene Einführung einer Sicherheitsabgabe für ausländische Männer mit ständigem Wohnsitz in der Schweiz.
Effektivbestand in der Armee wird weiter sinken
Die Schweiz hat immer mehr Einwohner, aber immer weniger junge Menschen, die Militärdienst leisten. Dies ist in der offiziellen Leseart darum kein Problem, weil wir den Sollbestand der Armee laufend nach unten korrigiert haben.
Bis im Jahr 2030 wird der Effektivbestand auf unter 140'000 sinken. Dies führt zu tieferen Beständen in den Wiederholungskursen und geht auf Kosten der Einsatzbereitschaft. Es liegt an uns, Gegensteuer zu geben.
Dabei geht es um mehr als nur um Zahlen. Das Milizsystem gehört zum Sonderfall Schweiz und ist seit Jahrhunderten Teil unserer Identität. Dazu müssen wir Sorge tragen.
***
Zum Autor: Michael Götte (*1979) ist Gemeindepräsident von Tübach SG und sitzt für die SVP im Nationalrat. Er ist verheiratet und von Beruf Projektberater.