Der Thurgau verweigert Sozialhilfebezügern Vermögensfreibetrag

Die Beratung über die Motion für einen Vermögensfreibetrag in der Sozialhilfe wird in der Sitzung des Grossen Rates des Kantons Thurgau erfolgen.

Der Thurgauer Regierungsrat hat sich gegen die Einführung eines Vermögensfreibetrags für Betroffene in der Sozialhilfe ausgesprochen. Die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht übt scharfe Kritik. Der Thurgau sei der einzige Kanton mit dieser Praxis.
Armutsbetroffene im Kanton Thurgau müssen ihr letztes Geld aufgebraucht haben, bevor sie eine Unterstützung der Sozialhilfe in Anspruch nehmen können. Der Thurgauer Regierungsrat hält in der Beantwortung einer Motion an dieser Haltung fest.
Die Motion fordert einen Vermögensfreibetrag und verweist dabei auf die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS). Diese empfiehlt derzeit, dass Betroffene beim Bezug von Sozialhilfe ein eigenes Vermögen von 4000 Franken behalten dürfen.
Vermögensfreibetrag als «entwürdigend» bezeichnet
Im Thurgau werde hingegen erst Unterstützung ausbezahlt, wenn die Person gänzlich zahlungsunfähig ist, schrieben die Motionäre. Sie bezeichnen diesen Umstand als «entwürdigend». Diese Praxis verhindere ausserdem frühzeitige Beratungen und setze die Mitarbeitenden der Sozialen Dienste unter Druck.
Aus Sicht der Regierung würde hingegen ein Vermögensfreibetrag die «Anreize zur Eigenverantwortung unterlaufen». Die Betroffenen sollen zuerst ihre eigenen Ressourcen und Fähigkeiten nutzen, um Herausforderungen zu meistern, schrieb sie in der Beantwortung. Das stärke das Selbstwertgefühl. «Sie lernen, sich auf ihre eigenen Stärken zu verlassen und Lösungen für ihre Probleme zu finden, anstatt reflexartig auf externe Hilfe zurückzugreifen», so die Regierung.
Fachstelle kritisiert Thurgauer Praxis
Diese Begründung bezeichnete die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht (UFS) in einer Stellungnahme als «fadenscheinig». Als einziger Kanton verweigere der Thurgau Armutsbetroffenen einen Notgroschen, zeigte sich die Fachstelle empört. Erst wenn der letzte Franken ausgegeben worden sei, erhalte man im Thurgau Anrecht auf Sozialhilfeleistungen.
«Die Achtung der Menschenwürde gebietet es, dass Menschen nicht erst dann unterstützt werden, wenn sie auf dem Niveau von Bettelexistenzen leben müssen», hiess es in der Stellungnahme der Fachstelle weiter. Mit seiner Haltung torpediere die Thurgauer Regierung die Harmonisierungsbestrebungen der Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren.
Über die Motion berät das Thurgauer Kantonsparlament an einer seiner nächsten Sitzungen.